Wer eine Situation verbessern will, muss sie verstehen. Dazu ist ein Blick in die Geschichte nötig. Denn wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen. Wer die Gegenwart nicht versteht, kann die Zukunft nicht gestalten.

Schreiber / Landesbühne Niedersachsen Nord

 

War das nicht schon immer so, fragt eine junge Wirtschaftsjournalistin aus Berlin. „Sind Menschen nicht schon immer in der Arbeit verkümmert?“

Sie gehört der Generation Y an. Jenen zwischen 1980 und 2000 Geborenen also, denen die Welt als ein nie enden wollender Strom von Krisen vorgestellt wurde. Ihr Erfahrungsspektrum reicht von der dot.com-Krise über 9/11, Klimakatastrophen und Bankencrashs, Fukushima, Nahrungsmittelalteration, Naturzerstörung, Kriegen und andauernden Wirtschaftskrisen mit einem dazugehörigem Perpetuum Mobile aus sogenannten Lösungen, welche die Krisen nur noch zu verschärfen scheinen. An den Wert des Geldes können sie nicht mehr glauben und die Hoffnung auf eine spätere Pension und einen „verdienten Ruhestand“ konnten sie nie entwickeln.

Das war nicht immer so!

Und es ist auch noch gar nicht so lange her.

Wie aber soll man den Jungen erklären, dass nicht alles aussichtslos ist? Wie soll man ihnen Mut machen?

Sie brauchen Perspektiven, wenn wir nicht ihre konstruktive Kraft verlieren wollen. Tatsächlich verbirgt sich darin eine große Gefahr. Denn wenn die Innovationskraft der Jugend verloren geht, braucht es Generationen, um Aufbruchstimmung zurück zu gewinnen.

Die Entwicklung realistischer Perspektiven beginnt immer mit dem Verstehen der Situation. Dazu braucht es einen Blick in die Geschichte. Aus deren Perspektive betrachtet, gewinnen die sich gerade ändernden Paradigmen an Kontur. Zudem wird ihre historische Dimension deutlich.

Andere Lösungswege werden sichtbar

Vor allem aber werden andere Lösungen erkennbar. Und das ist das Wichtigste daran!

Im Lichte der Geschichtswissenschaft zeigen sich verblüffende geistesgeschichtliche Parallelen zu einer Zeit, die nun schon 700 Jahre zurück liegt. Auch damals war die Gesellschaft von Krisen geschüttelt – auch wenn diese vollkommen andere waren als heute. Damals fanden unsere Vorfahren eine Lösung, deren Ende heute gekommen scheint.

Es war die Zeit der Hungersnöte und der großen Pest im 14. Jahrhundert. An diesen Katastrophen zerbrach des Bild der Welt, in der unsere Vorfahren zuvor gelebt hatten. Da lag der Fokus allen Denkens auf der Ordnung, die alles werden lässt. Auf die Nacht kommt der Tag, auf jeden Winter kommt ein Frühling. In diesem allgegenwärtigen Wiederkehren hatten sie Sinn für ihr Leben gefunden. Nachdem aber Hunger und Pest die Hälfte der europäischen Bevölkerung verschlungen hatten, schien das Chaos zu beweisen, dass es stärker sei als alle Ordnung des Werdens. Der Tod erschien mächtiger als Gott, der diese Ordnung repräsentierte.

Gerd Altmann pixelio.de

Weil Leben im Gefühl von Chaos und Unsicherheit nicht möglich ist, machten sich unsere Vorfahren daran, ihre eigene Ordnung zu schaffen. „Wir machen uns unsere Ordnung selbst“ war fortan das Leitmotto allen Handelns im Abendland.

Die selbst auferlegte Verpflichtung, die Ordnung der Natur selbst herstellen zu müssen, führte auf diese Weise zu immer stärkerer Beschleunigung. Das Gefühl rasenden Stillstandes entstand.

Ein Glaube zerbricht vor unseren Augen

Es darf niemanden wundern, dass der Generation Y die enfesselte Hektik sinnentleert erscheint. Sie erleben täglich, dass Beschleunigung die beschworenen Krisen nicht beseitigt. Auch die meisten Älteren können schon lange keinen Sinn mehr in einer sich unablässig erhöhenden Turbobeschleunigung erkennen, die vom nie eingelösten Versprechen angetrieben wird, dass es danach besser werden würde!

Was wir hier vor uns sehen und worin wir stecken, ist eine tiefgreifende Veränderung des Weltbildes!

Wir stehen mitten in einem gesellschaftlichen Prozess, in dem der Glaube, wir könnten uns die Natur zurecht basteln, stündlich an Kraft verliert. Orientierungslosigkeit und Verzweiflung wachsen in allen gesellschaftlichen Bereichen, weil uns die Unmöglichkeit bisher unwidersprochener Annahmen immer stärker zu Bewußtsein kommt.

Andreas Hermsdorf   pixelio.de

Standardlösungen, die beliebig vervielfältigt werden können, wird es wohl auf lange Sicht nicht mehr geben können. Zwar gibt es Angebote sonder Zahl, die in immer schnellerem Stakkato angeboten werden. Aber Werkzeuge, die ein Problem hervorgerufen haben, eigenen sich nicht zu dessen Behebung, wie schon Albert Einstein sagte.

Geheimwaffe „zuhören“

Wirkliche Hilfe kann von einer fast schon ins Vergessen geratenen „Sozialtechnik“ kommen, dem Zuhören.

Was wollen uns die Jungen der Generation Y sagen, wenn sie die Sinnlosigkeit beklagen, in Hedonismus versinken oder nicht mehr als “Performer” wirken wollen? Worum geht es ihnen, wenn ihnen Gemeinsamkeit, Familie und Sinnerfahrung in der Arbeit zunehmend wichtiger sind, als Spitzengehalt und Kariere?

Wer Ohren hat zu hören, der wird gerade bei ihnen Ansätze finden, obwohl sie manchmal als „Generation Weichei“ diffamiert werden. Gerade sie aber formulieren ihre Wünsche, weil sie keine Lust darauf haben, Arbeit als Straflager zu verstehen. Dabei entstehen Ansätze, mit denen Organisationen, Unternehmen, Abteilungen attraktiv und erfolgreich werden und bleiben könnten. In denen ein Klima herrscht, das Engagement und Inspiration wachsen lässt. Ein Umfeld, in dem sich Mitarbeiter schon am Sonntagabend auf den Montagmorgen freuen – jede Woche wieder!

Vor sieben Jahrhunderten machten sich unsere Vorfahren auf, die Ordnung der Welt selbst zu schaffen. Sie glaubten fest daran, die Welt richtig erkennen und selbst ordnen zu können, so sie nur genau genug hinsehen würden. Dieser Glaube erweist sich zunehmend als Selbstüberschätzung und löst sich unter unseren Händen auf. Jeden Tag ein bißchen mehr.

Schon wird aber auch eine andere Musik gespielt. Man kann sie bereits deutlich vernehmen, wenn man innehält und genau hinhört. Noch ist ihr Ton nicht allzu laut, aber längst unüberhörbar. Nicht mehr von sichtbaren Dingen und ihrer “richtigen” Anordnung ist die Rede, sondern davon, was zwischen den Dingen passiert. Es erklingen Akkorde von Wechselwirkung und Resonanz, von Wirkung und Gegenwirkung, von Kommunikation und Kultur. Es ist der Klang von erlebter Gemeinsamkeit und einem Leben – auch einem Arbeitsleben – das Sinn macht.

Was gesucht wird, ist eine andere Kultur der Arbeit

Bis diese Veränderung sich zum vollen Klang einer Symphonie entwickelt, werde es noch einige Zeit brauchen, meint der Politkberater, Jurist, Soziologe und Philosoph Meinhard Miegel, der die Anzeichen für den Bruch einer Epoche ebenfalls erkennt und in seinem Buch „Hybris“ beschreiben hat.

Schon jetzt gilt es daher, auf diese immer deutlichere Suche nach anderen Werthaltungen zu reagieren. Das bedeutet, den Schritt zu wagen, im eigenen Unternehmen oder der eigenen Abteilung eine Kultur anzubieten, in deren zentralem Fokus Sinnerfüllung und Miteinander stehen.

Bildnachweise:
Gerd Altmann pixelio.de
Andreas Hermsdorf pixelio.de

Schreiber / Landesbühne Niedersachsen Nord