Zwei scheinbar unvereinbare Blöcke standen sich gegenüber. Ein Klassiker:
Auf der einen Seite die Führungsmannschaft, auf der anderen Seite die Vielzahl der Mitarbeiter, die sich als Opfer von „denen da oben“ verstehen.

Das ist die Oper, die in den allermeisten Unternehmen – von zehn bis zehntausend Mitarbeitern – unermüdlich aufgeführt wird!

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Die übliche Vorgehensweise

Als der Widerstand wuchs und sich wirtschaftlich auszuwirkte, wurden die konventionellen Methoden herangezogen, um sogenannte Defizite auszugleichen. Zuerst wurden den Mitarbeitern Seminare angeboten die sie motivieren sollten. Sogar ein Outdoor-Training mit gemeinsamem Kletterkurs zur Teamentwicklung war dabei. Zur Verbesserung der Situation trug das aber nur wenig bei.

Wie die Prinzen aus dem Märchen, die der Reihe nach antreten, um die traurige Prinzessin zum Lachen zu bringen, traten Berater und Trainer nun in Aktion. Sie kamen und gingen. Einer nach dem anderen. Jeder versprach Besserung nach seiner Methode. Im Gegensatz zum Märchen jedoch, wo erfolglose Prinzen geköpft werden, wurden die Berater nur entlassen. Als alle Agenturen auf diese Weise durch das Haus gegangen waren, begann der Reigen wieder von Neuem.

 
Der Blick auf die Struktur der beiden Geschichten

Unsere Welt besteht aus den Geschichten, die wir uns erzählen.
Was wäre also, wenn wir die Betrachtungsweise um 90° drehen würden? Lenken wir die Aufmerksamkeit deshalb einmal nicht darauf, was welcher Person oder welcher Gruppe fehlt, sondern darauf, welche Geschichten sich die Beteiligten Gruppen jeweils erzählen.

Sofort fällt auf, dass die Gespräche innerhalb der beiden oben genannten Gruppen um einige wenige Hauptthemen kreisen:

  1. Wir sind die Guten!
         (wir wissen, wie es richtig geht)
  2. Die anderen sind die Uneinsichtigen!
         (sie sind egoistisch, dumm, träge oder bösartig)
  3. Was haben uns die anderen angetan und warum tun sie das?
         (sie wollen uns behindern, zerstören, kaputt machen)
  4. Wie verteidigen wir uns gegen ihre Übergriffe oder gegen ihren Widerstand?
         (schließlich sind wir die Guten und die anderen lassen uns nicht in Frieden leben!)

Regelmäßig definieren sich beide Seiten als Opfer der anderen und greifen zu möglichst mächtigen Abwehrmaßnahmen. Auf der einen Seite werden Druck und Kontrolle zu einem Bedrohungsszenario verdichtet, auf der anderen greift man zur inneren Kündigung und schließt dien Chefs von der Kommunikation aus. Im Ergebnis leiden alle.

Längst haben Beratungsagenturen herausgefunden, dass sie große Aufträge am besten durch das Versprechen akquirieren können, den Führungskräften Linderung zu verschaffen. Indem sie auf diese Weise den Erzählplot der Führungskräfte einseitig verstärken, vertiefen sie jedoch häufig das Problem anstatt es zu lösen.

 
Geschichten navigieren uns durch die Welt

Die Geschichten, die wir uns über uns selbst, über andere, über unsere Erlebnisse, Erfahrungen und Vermutungen erzählen, verleihen den Dingen Bedeutung. Die Erzählstruktur einer Gruppe schafft den Kontext, vor dem ihre Mitglieder ihre Um- und Mitwelt interpretieren.

Richtig oder falsch, positiv oder negativ sind nicht Eigenschaften von Menschen, sondern Zuschreibungen, die in Erzählungen kulturell verankert sind.

Die Kultur einer Gruppe wird deshalb sichtbar anhand ihrer Geschichten. Wie wird über sich selbst gesprochen? Wie über andere? Was gilt als wichtig? Was wird überhaupt nicht in Erzählungen abgebildet?

 
Kooperierende Begeisterung entsteht aus geeigneten Geschichten

Jedes Unternehmen braucht den Goodwill seiner Mitarbeiter. Begeisterte Mitarbeiter sind engagiert und denken mit. Sie sind seltener krank, arbeiten erfolgreicher und dabei kostengünstiger, als die demotivierten Kollegen des Mitbewerbs. Das belegen mittlerweile ganze Bibliotheken von Untersuchungen.

Um ein solches Klima der kooperierenden Begeisterung zu schaffen, muss die Struktur der Erzählungen verändert werden. In unserem Beispiel sind das die Strukturen beider Seiten! Alle beiden müssen dazu angeregt werden nicht nur die (traditionelle) eigene Opfergeschichte aufzugeben, sondern auch – und das ist weit bedeutender – das gegenseitige Beschuldigungsszenario verlassen.

Das gelingt in dem Moment, in welchem ein anderes Erzählmuster an Raum gewinnt, das nicht Gegensätze, sondern einen alle erstrebenswerten Zustand in dem Mittelpunkt stellt.

Wie das genau geschehen kann, dafür gibt es historische Beispiele. Im nächsten Blogartikel werden wir berichten, wie aus solchen Überlegungen heraus das langlebigste Großreich der Geschichte geschaffen wurde: Das Reich der Pharaonen in Ägypten.