Viel wird geredet von europäischen Werten. Was aber soll das sein? Eine chilenische Musikerin bringt es auf den Punkt: Verschiedenheit plus die Fähigkeit zur Integration!

 

„Bei uns singen Flüchtlinge im katholischen Kirchenchor“, sagt Pfarrer Anton Schwinner. „Sie sind Moslems. Irgendwann sind sie zur Probe gekommen, haben mitgesummt und schließlich sogar zu Weihnachten im Chor gesungen.“

Seine Pfarre, St Severin in Tulln, ist ein Ort, an dem Integration gelingt. „Den Flüchtlingen im Containerdorf haben wir sofort Fernseher zur Verfügung gestellt, damit sie sich an die deutsche Sprache gewöhnen.“

Der Erfolg gibt ihm und seinen vielen Unterstützern recht. So spricht eine 11-jährige nach einem Jahr so gut deutsch, dass sie sich an jedem Gespräch beteiligen kann. Nun hilft sie anderen beim Deutschlernen.

„Wir sind eine grundsätzlich offene Pfarre. Diese Menschen haben Schreckliches erlebt, suchen Schutz bei uns und vertrauen uns. Man muss ihnen helfen. Dabei ist immer zu bedenken, dass sie aus einem völlig anderen Kulturkreis, aus einer anderen geistigen Welt kommen.“

 

Sich zu integrieren ist eine große Herausforderung

Es erfordert eine ungeheure psychologische Anstrengung, sich in eine Welt einzufügen, die ganz anders ist, als diejenige, aus der man kommt. Alte, manchmal tief sitzende Überzeugungen müssen geändert, manchmal sogar aufgegeben werden. Diese Leistung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Der Wille sich zu integrieren ist jedoch nur die eine Hälfte gelungener Integration.

Sie muss auch von den Ansässigen ermöglicht werden. Das geschieht am besten kleinräumig, so wie in St. Severin und an vielen anderen Orten.

 

Kennen wir unsere eigene Werte?

Von europäischen Werten wird seit einem Jahr viel geredet. Kaum jemals hat aber jemand benannt, was genau darunter zu verstehen sei.

Wie jede andere Kultur besitzt auch die Kultur des Abendlandes zentrale Werte in ihrem Kern. Aus der Innensicht sind solche Kernwerte schwer festzustellen. Von außen geht das besser.

Vor ein paar Wochen traf ich Anaïs, eine junge chilenische Violinistin. Sie reiste gerade mit ihrem Jugendorchester durch Europa. Dabei kam das Orchester auch nach Tulln, wo es einige Konzerte gab.

 

Von außen sieht man deutlicher

Anaïs war erstaunt über die vielen Unterschiede, die sie vorgefunden hatte. „Europa ist so vielfältig. Alle paar Kilometer sprechen die Menschen andere Sprachen und verhalten sich anders.“ Chile sei dagegen bei einer Länge von 6.000 km vergleichsweise homogen.

Der Musikerin war etwas aufgefallen, das der Innensicht verborgen bleibt. Sie hatte eine Besonderheit entdeckt, die uns Europäer auszeichnet. Und sie hatte recht:

Es ist diese Verschiedenheit, die Europa und seine Zivilisation ausmacht!

 

Verschiedenheit war immer schon europäische  Realität

Zwar haben wir uns in der Geschichte über Jahrtausende hinweg gegenseitig die Köpfe eingeschlagen. Aber wir haben dabei auch gelernt, dass andere Sichtweisen wertvoll sein können.

Eine geistige Monokultur ist Europa zu keiner Zeit gewesen. Jede einzelne Mentalität ist als Mischung aus vielen Einflüssen entstanden. Typisch europäisch ist diese besondere Fähigkeit, mit unterschiedlichen Sichtweisen (zumeist) friedlich umzugehen.

Konfliktfrei war das nie. Aber wir haben dabei gelernt, andere zu tolerieren und zu respektieren.

 

Das Geschenk abendländischer Geschichte:
die Fähigkeit andere zu integtrieren

Diese Fähigkeit bildet den Kern der abendländischen Zivilisation!

Sie ist es, die uns zu Wesen gemacht hat, die mit Fremden zusammenleben können. Sie hat uns die Fähigkeit vermittelt, gemeinsam Wege zu finden, die für alle annehmbar sind.

Das Beispiel von St. Severin zeigt nicht nur, dass das heute möglich ist. Hier wird auch direkt greifbar, wie Gemeinsamkeit praktisch realisiert werden kann.

 

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