M.Großmann pixelio.de

Weil in ihnen meistens das Leben gar nicht vorkommt.
Sobald das Leben ins Spiel kommt, lassen sich „Prozesse“ nicht definieren.Neben- und Seiteneffekte unterminieren die Absichten und höhlen die Strategie aus.
Das erzeugt Neben- und Seiteneffekte, die auch die besten Absichten unterminieren können. Warum ist das so?

 

 

Wir werden uns alle Prozesse anschauen“, sagte der Finanzvorstand der Elektronikhandelsholding Ceconomy, Bernhard Düttmann, am 13. Februar in Düsseldorf. Man sei schlechter als die Wettbewerber. Also müssten Kosten gesenkt, Filialen verkleinert und Personal abgebaut werden. Düttmann, hier nur stellvertretend für viele andere, spricht von Produktionsabläufen, Wertschöpfungsketten und Gewinn.

Sind „Prozesse“ wirklich definierbar?

Man ist schon so an diese Sprache gewöhnt, dass sie einem vollkommen logisch erscheint. So logisch, dass überhaupt nicht mehr darüber nachgedacht wird. Diese ökonomisch-sachliche Logik wirkt unausweichlich, fast wie ein Naturgesetz. Als wäre es ein fallender Apfel, der sich alternativlos stets nach unten bewegt. Viel zu selbstverständlich erscheint das, was da gesagt wird.

Der Gedanke, dass sich Prozesse so einfach optimieren lassen, hat sich zwar zu einem geistigen Mainstream entwickelt. Ist etwas aber schon allein deshalb eine Wahrheit, weil viele daran glauben?

Das Leben ist kreativ

Die Ökonomie versteht unter „Prozess“ definierte Abläufe. So wie die Montage eines Autos am Fließband. Dort ist alles genau bestimmt und festgeschrieben. Man weiß immer, was wann hinten heraus kommt.

Das Leben ist aber offen. Seine Aufgabe ist es Lösungen zu finden. Manchmal schlägt es dabei überraschende Haken. Genau das it es, was Leben ausmacht.

Wo das Leben beteiligt ist, lassen sich deshalb Abläufe nicht so ohne weiteres definieren. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle und entfalten Wirkung. Wir kennen diesen Effekt von Wahlprognosen, deren Treffsicherheit stetig sinkt. Noch Stunden vor der Abstimmung hätte beispielsweise damit gerechnet, dass die Briten für den Brexit votieren. Oder dass Donald Trump wirklich Präsident werden würde. Er selbst war davon überrascht.

Motivations-Voodoo ist kein Allheilmittel

Das kennt man auch aus Unternehmen. Da können plötzlich Widerstände entstehen, die Krankenstände steigen oder Lustlosigkeit verbreitet sich. Solche Neben- und Seiteneffekte unterlaufen regelmäßig die schönsten Planungen. Meist wird dann die Schuld bei jenen gesucht, welche die Arbeit machen. Sie seien desinteressiert, illoyal oder schlichtweg dumm. Denn werden Workshops und Seminare abgehalten. Die gesamte Palette des Motivations-Vodoos der Beratungsindustrie wird aufgeboten, um die unter viel Aufwand definierten Abläufe doch noch ins Laufen zu bekommen.

Das gibt Führungskräften zwar das beruhigende Gefühl, etwas getan zu haben. Dennoch bleiben solche Bemühungen meist erfolglos (zu über 90%, wie Untersuchungen seit Jahrzehnten bestätigen). Denn es handelt sich um eine glatte Themenverfehlung.

Die Ursachen für Widerstände liegen in aller Regel weder am Unwillen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, noch am mangelnden Bemühen der Planer. Sie liegen in einem Denken begründet, das sich am Modell ineinander greifender Zahnräder orientiert. Dieser Gedanke liegt immer dann nahe, wenn sogenannte Prozesse reorganisiert werden, wenn restrukturiert wird oder neue Synergien geplant werden.

Eklatante Sehbehinderung im Denken

Der alles entscheidende Punkt ist, was NICHT in den Planungen vorkommt. Wofür sie blind sind.

Legt man diesen Fokus an, stellt sich schnell heraus, dass Menschen regelmäßig in den Planungen fehlen. Sie kommen weder als Mitarbeiter vor, noch als Konsumenten. Statt dessen tritt eine scheinbar sachliche Liturgie auf den Plan, die von Abläufen spricht, von sogenannten „Prozessen“, von Märkten oder Notwendigkeiten des Wachstums. Wer so denkt, dem erscheinen Einsparungen notwendig oder Reorganisationen unausweichlich. Gegenüber allem, was Menschen betrifft, herrscht eine eklatante Sehbehinderung

Dieser Effekt entsteht durch ein an Apparaten orientiertes Denken. Ein Denken, in dem Menschen von vorne herein keinen Platz haben. In dem das Leben nicht existiert. In diesem Universum gilt als intelligent, wer „Prozesse“ gut definieren kann. Am Papier.

Menschen zu vergessen ist eine Themenverfehlung

Bei diesen entsteht dann das Gefühl austauschbar und überflüssig zu sein, nichts beitragen zu können. Kurz: keinen Lebenssinn zu haben. Die natürliche Reaktion darauf sind Widerstände, Gleichgültigkeit oder Krankenstände.

Die Ursache für diese Effekte sind nicht die Menschen, sondern ein Denken, das sich einbildet, über der Natur zu stehen und den Menschen in seiner Kreativität nicht beachten zu müssen. Ein Denken, das die Grundregeln der Evolution nicht nur negiert, sondern sogar übertrumpfen will.

Wer die Wahl hat, hat die Qual: Erfolg oder Kahlschlag?

Eine Themenverfehlung also. Wären wir in der Schule, gäbe es dafür zu recht ein Nicht-genügend. Da wir aber längst erwachsen sind und die Schule hinter uns haben, gilt eine andere Regel: Ober sticht Unter.

Wie sich das bei Ceconic auswirken wird, bleibt abzuwarten. Es wäre das erste Mal in der Geschichte, dass sich Engagement der Mitarbeiter oder Loyalität der Kunden durch die geplanten Kahlschläge steigern ließen.