Jeder Landwirt weiß es: sind Hühner gestresst, so verringert sich ihre Leistungsfähigkeit sofort. Dieses Wissen ist sehr alt und gilt ebenso für Menschen. Dennoch hat es vor den Toren vieler Organisationen halt gemacht. Zeitdruck und Vertrauensmangel wirbeln viel Staub auf, aber sie steigern die Produktivität nicht. Gestresste Menschen sind ebensowenig leistungsfähig wie aufgeregtes Federvieh!

Hahn am Mist 06072007 01

Urlaub auf dem Bauernhof. Gerade wird im Innenhof umgebaut. Bagger fahren, Arbeiter laufen herum, reden laut. Es wird gehämmert und gebohrt.

Beinahe unbemerkt steht am Rande des Hofes ein kleines Gebäude, der Hühnerstall. Um nicht zwischen Arbeiter oder unter Maschinen zu kommen sind die Hühner eingesperrt. Es dauert ja nur ein paar Tage. Niemand würde ihnen Aufmerksamkeit schenken, wäre da nicht der vollkommen irritierte Hahn, der ohne Unterlass kräht.

Die Bäuerin füttert die Hühner täglich. Einen Korb für die Eier braucht sie aber nicht mit zu nehmen, sagt sie. „Gestresste Hühner legen keine Eier!“ Zwar sei hie und da doch einmal ein vereinzeltes Ei zu finden, aber das Absammeln würde erst wieder lohnen, wenn der ganze Trubel vorbei sei und die Hühner wieder zur Ruhe gekommen wären.

Wie ist das eigentlich bei Menschen in Organisationen?

Stress, Zeitdruck, mangelndes Vertrauens und verschiedene Ängste stellen geradezu Grundelemente des Klimas in real existierenden Unternehmen dar. Als John P. Kotter 2008 sein Buch „Prinzip Dringlichkeit“ veröffentlichte, warnte er ausdrücklich davor, dieses als Aufruf zu planloser Hetze zu verstehen. Genau das ist vielerorts aber geschehen.

Wo das der Fall sei, würden Mitarbeiter bald sinnloses Herumwirbeln mit Produktivität verwechseln. Hektische Betriebsamkeit wirble nur Staub auf. Produktivität jedoch bedeute Ergebnisse zu erzielen, so Kotter damals.

Steigerung der Leistung durch Stress?

Manchmal kann man in Gesprächen den alten Spruch hören, dass Stress der Leistung förderlich sei. Ist das wirklich so?

Es bedarf nur einer kurzen Änderung der „Hörrichtung“. Wer einmal kurz nach innen lauscht und das nach außen gerichtete Alltagsgehör einen Moment lang ruhig stellt, der weiß es: bereits bei leichtem Stress sind wir kaum zu mehr in der Lage als Checklisten abzuarbeiten. Wird der Stress größer, tritt Planlosigkeit tritt ein, die sich bis zur Panik steigern kann.

Dass Stress, oder die Aufrechterhaltung ständigen Drucks die Leistung erhöht, stellt sich somit in gewisser Weise als richtig heraus —- die Frage ist nur, welche Art von Leistung dabei herauskommt und ob sie in echte Produktivität umsetzbar ist. Jene Grundlagen, die für Engagement, Kreativität und Innovationen unerlässlich sind verlangen Reflexion und Ruhe. Stress, insbesondere Dauerstress ist sehr effizient bei der Verhinderung von echter produktiver Leistung.

Die Lehre des Federviehs

Die Beobachtung der Bäuerin über die Legefähigkeit ihrer aufgeregten Hühner gilt also in gleichem Maße für Menschen. Gestresste Hühner sind ebenso wenig leistungsfähig wie gestresste Menschen.

Würden daraus die richtigen Schlüsse gezogen, weniger Staub aufgewirbelt und weniger “falsche Dringlichkeit” (Kotter) erzeugt, so ließe sich die Produktivität vieler Organisationen mit minimalem Aufwand deutlich steigern.