Starke Visionen verleihen Organisationen Flügel. Sie sind innovative Vorstellungen von der Zukunft. Wenn sie genügend Kraft haben, reißen sie alle Beteiligten mit. Am Beginn innovativer und konstruktiver Veränderungen muss immer eine starke Vision stehen.

 

 

gabriele planthaber - pixelio.de

Max Frei hat es geschafft! Sein technisches Planungsbüro ist ein Vorzeigeunternehmen mit 124 Mitarbeitern. Alle Mitarbeiter ziehen gemeinsam an einem Strang und entwickeln Ideen, um das Unternehmen voran zu bringen. Das Auftragsbuch ist voll. Es herrscht ein entspanntes Klima und die Leute wirken freundlich und gelassen.

Das war nicht immer so.

Vor Jahren hatte der den Betrieb von seinem Schwiegervater übernommen. Mitsamt dem alten Kommandosystem, wie er es nennt. „Das wollte ich nicht und es entspricht auch nicht meiner Persönlichkeit“, sagte er. Ganz nebenbei steckte der „Laden“, wie er sagt, in wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Was er dann erlebte nennt er die „Phase der Orientierungslosigkeit“.

In seiner Not bat er einen Berater um seine Meinung. Der hielt ihm Vergleichswerte von anderen Unternehmen vor, sprach von Benchmarks, Einsparungen, Synergien und Kernkompetenzen. Alles typische Mainstream-Begriffe aus der Berater-Werkzeugkiste. Bei jeder einzelnen dieser Vokabeln fragte sich Max Frei: „Was hat das mit meinem Unternehmen und meinen Leuten zu tun?“

Schließlich empfahl der Berater Personaleinsparungen.

Die gingen Max Frei nun vollkommen gegen den Strich. Er kannte seine Leute und von vielen auch die gesamte Familie. Er wusste, wie sich Entlassungen auf sie alle auswirken würden. Das wollte er auf keinen Fall hinnehmen oder gar verursachen! Es musste einfach einen anderen Weg geben!

Eine gute Vision gibt Kraft

Aus schierer Not begann er mit einigen Mitarbeitern zu sprechen. „Es muss auch andere Wege geben!“ wiederholte er immer wieder. Zu seiner Überraschung beteiligten sie sich an seinen Überlegungen. Das Überleben des Unternehmens lag schließlich im Interesse von allen.

Langsam entstand in ihm das Bild eines anderen Unternehmens. Wie wäre es, wenn sich alle gemeinsam an der Gestaltung der Zukunft beteiligen würden? Die Vision einer ganz anderen Form des Unternehmens entstand. Eines Unternehmens, in dem nicht nur individuelle Arbeitsschritte abgewickelt werden, sondern gemeinsam weitergedacht wird.

Dieses Bild wurde immer konkreter und verdichtete sich immer mehr. Es entstand eine Kraft, die alle Beteiligten mit einschloss. Die Kollegen und Kolleginnen, ebenso wie auch Kunden und Zulieferer. Bald verbreitete sich das Bewusstsein gemeinsam für eine bessere Zukunft zu arbeiten.

„Freilich ist eine Vision nicht alles. Es braucht auch die Umsetzung. Aber ohne eine Vision kann es keine klare Strategie geben. Und ohne Strategie bleiben taktische Umsetzungen richtungsloses Geflatter, weil die Kriterien fehlen, nach denen die Nützlichkeit von Handlungen beurteilt werden kann.

Visions-Kritik aus berufenem Mund – oder doch nicht?

Wenn die Rede auf die zentrale Bedeutung von Visionen kommt, ist immer wieder ein Zitat von Helmut Schmidt zu hören: Wer eine Visionen hat, sollte zum Arzt gehen!

Helmut Schmidt, dessen Amtsführung in Wahrheit seit frühesten Tagen von starken Visionen geprägt war, gab zwar zu, diesen Satz tatsächlich gesagt zu haben. Jedoch sei das eine „pampige Antwort auf eine dusslige Frage“ gewesen.

Später wurde der Satz in etwas abgeänderter Form dem österreichischen Bundeskanzler Franz Vranitzky in den Mund gelegt. Der hat ihn aber nie benutzt.

Die beiden Staatsmänner eignen sich also nicht um gegen Notwendigkeit und Nutzen von starken Visionen zu argumentieren. Im Gegenteil: gerade sie waren Verkörperungen der Vision, dass eine konstruktive Zukunft möglich ist.